Inklusiv Wohnen – Rückblick Sommerreise 2018

Beim Rückblick auf das Jahr 2018 war meine Sommerreise „Inklusiv Wohnen“ ein besonderes Highlight. Mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Rheinland-Pfalz war mir besonders wichtig, inklusive und selbstbestimmte Wohnformen von Menschen mit Behinderungen hervorzuheben. Hier eine Rückschau auf meine dreitägige Sommertour nach Kaiserslautern, Landau, Bad Kreuznach und Trier.

Inklusive Wohngemeinschaften in Kaiserslautern und Trier

Am ersten Tag standen Wohngemeinschaften von Menschen mit und ohne Behinderungen auf meinem Programm.

Der erste Termin führt mich zur inklusiven Wohngemeinschaft am Nordbahnhof in Kaiserslautern. Das ehemalige Bahnhofsgebäude mit viel Sandstein (wir sind in der Pfalz) wurde als Familienwohnhaus umgebaut. Ausgangspunkt für die Gründung der Wohngemeinschaft war die Schaukel im Wohnzimmer. Der Sohn der Familie, hat aufgrund seiner Behinderung einen starken Bewegungsdrang. Deshalb ist die Schaukel im Wohnzimmer und das großzügige Außengelände für ihn wichtig. Als die Kinder erwachsen wurden beschloss die Familie daher, dass nicht die Kinder ausziehen, sondern die Eltern. Zusammen mit anderen Eltern von Kindern mit Behinderungen wurde die Idee einer inklusiven Wohngemeinschaft von Menschen mit und ohne Behinderungen umgesetzt. Mitbewohnerinnen und Mitbewohner wurden gesucht, Gespräche mit den Kostenträgern geführt, ein ambulanter Pflegedienst zur Unterstützung gesucht und eine Koordinierung durch den Lebenshilfe Westpfalz eingerichtet. Heute wohnen junge Menschen mit Behinderungen und Studierende aus Kaiserslautern gut zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Darüber konnte ich mich in Gesprächen mit den Bewohnern und Beteiligten überzeugen.

Eine besondere Bedeutung für ein selbstbestimmtes Wohnen außerhalb von Einrichtungen haben die Clubs Behinderter und ihrer Freunde (CBF). Bereits in den 1970er Jahren haben die CBFs ambulante Dienste aufgebaut und sich für den Abbau von Barrieren in den Städten und Gemeinden eingesetzt. In Landau habe ich Wohngemeinschaften und Wohnungen des CBF (Club Behinderter und ihrer Freunde) Südpfalz auf dem Program. Bestehende Wohnungen wurden durch einen Außenlift und Badumbau barrierefrei angepasst und ermöglichen so ein selbstbestimmtes Leben für die Bewohnerinnen und Bewohner. Zusätzlich bietet der CBF Unterstützung und Assistenz an, um ein selbstbestimmtes Leben auch außerhalb der Wohnung zu gewährleisten.

Das Gespräch mit einer Bewohnerin ist mir gut in Erinnerung geblieben, die. jahrelang nach einer barrierefreien Wohnung gesucht hat und jetzt endlich mit der barrierefreien Wohnung und der Unterstützung des CBFs auch wieder neue Pläne für ihre berufliche Zukunft angehen kann.

Mein zweiter Besuchstermin in Landau war die Wohngemeinschaft in der Cornichonstraße. Im Rahmen des Dezentralisierungsprozesses ihrer großen Wohneinrichtung hat die Stiftung Bethesda eine gemischte Wohngemeinschaft auf dem Gelände der Landesgartenschau eingerichtet. Damit ist ein doppeltes Konversionsprojekt entstanden – zum einen die Umwandlung von einer Militärliegenschaft in ein ziviles Wohngebiet und zum Anderen die Alternativen zum Leben in einer Wohneinrichtung durch inklusive Wohnangebote. Ähnlich wie in Kaiserslautern wohnen in der Wohngemeinschaft junge Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Beim Besuch der WG versagt leider die Technik, kurz bevor ich ankam ist der Aufzug im sanierten Altbau in Streik getreten. Also verlegen wir unser Treffen mit Kaffe und Getränken in den Sozialraum und okkupieren einen Platz an der Straße. Drei Jahre nachdem ich bei der Eröffnung der Wohngemeinschaft dabei war sind die Erfahrungen positiv, auch in den Lebensbereichen Arbeit und Freizeit sind die Bewohnerinnen und Bewohner ermutigt, ein selbstbestimmes Leben zu führen.

Von den Wohngemeinschaften bin ich sehr beeindruckt. Sie sind besonders für junge Menschen mit Behinderungen eine gute Alternative zum Wohnheim. Diese innovativen Wohnprojekte sind mit bewundernswert viel Engagement initiiert und betrieben, allerdings noch viel zu selten und zu aufwändig umzusetzen. Hier wünsche ich mir ein unbürokratischeres Vorgehen, mehr Unterstützung durch die Kostenträger und bessere Beratungsangebote für die Wohnprojekte. Hier Bilder vom ersten Tag der Sommertour:

Gruppenbild vor dem Haus der Wohngemeinschaft in Kaiserslautern

Bewohner/innen und Besucher/innen der Wohngemeinschaft am Nordbahnhof

Das Wohnzimmer der WG mit von der Decke hängenden Schaukel

Die Schaukel im Wohnzimmer – Ausgangspunkt für die inklusive WG

Gespräch auf dem Balkon
Bild aus dem Wohnraum

Im Gespräch mit WG-Bewohner des CBF

Gruppenbild vom Gespräch mit der Wohngemeinschaft

Bewohner/in und Mitarbeiter der Wohngemeinschaft Cornichonstraße von Bethesda Landau

Fernsehinterview in Landau mit Matthias Rösch

Medieninteresse an der Sommertour

Persönliche Assistenz im Arbeitgeberinnenmodell in Bad Kreuznach

An meinem zweiten Tag der Sommertour habe ich In Bad Kreuznach Menschen mit Behinderungen besucht, die mit dem Arbeitgeberinnen- und Arbeitgebermodell Persönliche Assistenz und dem Persönlichen Budget ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden und in der Gemeinde führen. Beim Arbeitgeberinnen- und. Arbeitgebermodell persönlicher Assistenz stellen die Menschen mit Behinderungen ihre Assistentinnen und Assistenten selbst an, sie sind Chefin und Chef in ihrem Assistenzbetrieb. Marianne Münz ist nach über 30 Jahren aus dem Wohnheim der Kreuznacher Diakonie ausgezogen. Sie hat mir eindrucksvoll geschildert, was bei ihrem Umzug alles zu organisieren war. Nach langer Suche hatte sie endlich eine barrierefreie Wohnung von einem privaten Vermieter gefunden. Doch vor dem Unterschreiben des Mietvertrages musste erst die Kostenübernahme geklärt werden und gleichzeitig ein Team von Assistentinnen zusammengestellt. Wie bei jedem Umzug ist die Wohnungseinrichtung zu planen und zu beschaffen, wobei hier die behindertengerechte Anpassung dazu kommt. Der Aufwand hat sich für Marianne Münz gelohnt, sie fühlt sich in der Wohnung wohl und genießt die neu gewonnene Freiheit. Mittlerweile arbeitet sie außerhalb der Werkstatt für behinderte Menschen mit dem Budget für Arbeit im Projekt „inklusiv leben lernen“ und berät dort auch andere Menschen mit Behinderungen. Außerdem ist sie im Beirat des Bundesverbandes der evangelischen Behindertenhilfe engagiert – und hat mir passenderweise gleich ein Forderungspapier des Beirats zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes übergeben.

In ihrer Dachwohnung besuche ich Anita Ferres, die ebenfalls vor einigen Jahren aus der Kreuznacher Diakonie ausgezogen ist. Sie bringt den Unterschied zwischen dem Wohnheim und der eigenen Wohnung mit Persönlicher Assistenz auf den Punkt: „Ich kann selbst entscheiden, wann ich auf die Toilette gehe“.

Unterstützung beim Wechsel in die eigene Wohnung haben beide von der Kreuznacher Diakonie und vom Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen Bad Kreuznach erhalten. Zum Zentrum für selbstbestimmtes Leben (ZsL) geht es dann auch zum Abschlussgespräch für diesen Tag. Das ZsL hilft bei der Vermittlung und bei der Personalverwaltung der persönlichen Assistentinnen und Assistenten. Mittlerweile ist das ZsL Bad Kreuznach auch Träger der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) für die Region. Ebenfalls bei dem Gespräch dabei ist Karl-Heinz Seeger, Geschäftsführer der Wohnungsbaugenossenschaft Bad Kreuznach. Bezahlbarer und barrierefreier Wohnungsbau ist wichtiges Thema für das kommunale Wohnungsunternehmen, der Bedarf ist groß. Dazu werden die aktuellen Projekte vom Geschäftsführer vorgestellt.

Mit dem persönlichen Budget und dem Arbeitgeberinnen- und Arbeitgebermodell persönlicher Assistenz steigt die Lebensqualität für Menschen mit Behinderungen enorm, der Aufwand lohnt sich. Diese guten Erfahrungen müssen wir bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und der Neubestimmung des Trägers der Eingliederungshilfe in Rheinland-Pfalz einbeziehen, damit die Möglichkeiten mit dem Persönlichen Budget und dem Arbeitgeberinnen- und Arbeitgebermodell Persönlicher Assistenz selbstbestimmt zu leben, flächendeckend in Rheinland-Pfalz angeboten werden kann, ist mein Fazit des zweiten Tags der Sommertour in Bad Kreuznach. Hier Bilder davon:

In der Wohnung von Anita Ferres

Zu Besuch bei Anita Ferress

Übergabe des Forderungskataloges von Marianne Münz
Gesprächsrunde in den Räumen des. ZsL Bad Kreuznach

Abschlussgespräch im Zentrum für selbstbestimmtes Leben Bad Kreuznach

Wohnungsgenossenschaft und inklusive Quartiersentwicklung in Trier

Wohnen im Quartier bietet die WOGEBE Wohnungsgenossenschaft Trier in der Thyrsusstraße an. Mit dem Besuch in Trier bei dem gemeinschaftliche Wohnprojekt beginnt der letzte Tag meiner Sommerreise. Bei der Wohnungsgenossenschaft, die auch das Quartiersmanagement der Sozialen Stadt Trier Nord übernommen hat, wurde von Anfang an gemeinsam mit den zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern, Familien und Alleinstehenden, Älteren und Jüngeren, Menschen mit und ohne Behinderungen das Konzept erstellt und geplant. Die auf Kommunikation und Barrierefreiheit ausgelegte Bauweise überzeugt, in dem Gemeinschaftsraum finden gemeinsame Aktivitäten statt.

In der Nachbarschaft soll ein weiteres Wohnprojekt der WOGEBE entstehen. Der Geschäftsführer Herbert Schacherer erklärt dazu, dass unsere Landesförderungen für die soziale Wohnraumförderung für die Schaffung von barrierefreien und bezahlbarem Wohnraum gut geeignet ist. Eine Aussage die ich von verschiedenen Trägern höre. Mir gefällt die gute persönliche Atmosphäre und die vertrauensvolle Zusammenarbeit der WOGEBE und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Ein positives Beispiel im Jubiläumsjahr der Genossenschaften – und passend zum Jubiläum von Karl Marx in seiner Geburtsstadt.

Beim Gespräch im Café Balduin mit der Bürgermeisterin und Sozialdezernentin der Stadt Trier, Elvira Garbes, dem städtischen Behindertenbeauftragten Gerd Dahm und Vertreterinnen und Vertretern des Behindertenbeirates der Stadt Trier wurden aktuelle Themen zu Wohnen, aber auch zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur inklusiven Bildung besprochen. Die Kommunen sind wichtiger Partner mit ihrer Planungshoheit und den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften für die Schaffung von barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum. Die soziale Wohnraumförderung des Landes wurde gelobt, allerdings brauchen wir die Kommunen mit ihren Möglichkeiten, um mit unserer Förderung den entsprechenden Wohnraum vor Ort schaffen ist mein Fazit für den letzen Tag meiner Sommertour inklusiv Wohnen. Zum Abschluss der Sommerreise besuche ich dann noch die neue Demenz-Wohngemeinschaft des Club Aktiv mitten in Trier Ehrang für ältere Menschen mit Behinderungen. Hier Bilder vom Besuch in Trier:

Gruppenbild vor dem Gemeinschaftsraum

Vor dem Gemeinschaftsraum mit Bewohner/innen und WOGEBE Mitarbeiterinnen in der Thyrsusstraßee

Bewohnerin mit Rollstuhl mit. Außenansicht des Gebäudes

Bewohnerin vor dem Wohngebäude

Gesprächsrunde am Tisch im Café

Gesprächsrunde im Café Balduin

Insgesamt habe ich bei meiner Sommerreise habe ich viele gute Beispiele für inklusives Wohnen kennengelernt und Menschen mit Behinderungen getroffen, die ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Einrichtungen führen. Sie machen vor, wie die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen konkret umgesetzt werden kann. Mit der Ausführung des Bundesteilhabegesetzes in Rheinland-Pfalz haben wir die Möglichkeit, inklusives Wohnen zu erleichtern und damit gleichwertige Lebensverhältnisse für die Menschen mit Behinderungen im Land zu erreichen, so meine Bilanz der Sommertour 2018.