Neue Freunde für den Elefanten

Mit einer besonderen Erfahrung begann der vierte Tag der Delegationsreise in Ruanda. In Gisenyi am Kivu-See befindet sich der Grenzübergang zur Demokratischen Republik Kongo . Diesen haben wir heute besucht. Er ist eine der weltweit meistfrequentierten Grenzübergänge.

Mir fiel nach und nach auf, dass ganz viele handbetriebene Dreiräder für Menschen mit Behinderungen unterwegs waren. In dem Trubel konnte ich mich zum Beispiel mit Patrick unterhalten. Er stammt aus dem Kongo, ist Beinamutiert und hat Computer Wissenschaften studiert. In seinem Land hatte in seinem Beruf keinen Job gefunden. Jetzt ist er an der Grenze unterwegs und verdient seinen Lebensunterhalt im kleinen Grenzverkehr.

Nach diesem beeindruckenden Erlebnis ging es weiter zur Gehörlosenschule in Nyabihu. Die Schule wird von LOTTO Rheinland-Pfalz unterstützt. Ich war mit Jürgen Hefner, dem Geschäftsführer von Lotto Rheinland-Pfalz dort. Die Schule hat 120 Schülerinnen und Schüler, die in Gebärdensprache unterrichtet werden. Seit einem Jahr gibt es eine standardisierte Gebärdensprache für Kinyarwanda.

Sehr beeindruckt hat mich, dass das Zentrum  250 Lehrerinnen und Lehrer in Gebärdensprache unterrichtet hat, damit sie vor Ort in der Schule behinderte Kinder unterrichten können. Außerdem haben die Eltern von gehörlosen Kindern in Gebärdensprache unterrichtet, damit sie mit ihren Kindern kommunizieren können. Soweit sind wir nicht einmal in Rheinland-Pfalz.

Außerdem ist ein Computer Raum eingerichtet, in dem die Kinder und Jugendlichen über Skype in Gebärdensprache kommunizieren können. Das gut ausgebaute Internet in Ruanda macht das möglich.

Als Gastgeschenk habe ich einen Holzrelief mit Elefanten geschenkt bekommen. Ich hab mich sehr gefreut, dass mein Inklusionselefant neue Freunde gefunden hat 🙂.

Hier Fotos von dem Tag:

Ein Behinderten Dreirad in blau

am Grenzübergang zur Demokratischen Republik Kongo

Menschen mit Behinderungen und ihre Hand -Drei-Rädern unterwegs am Grenzübergang

Mehr Handräder

Mit Schiebe Hilfe

Grenzübergang für Menschen mit Behinderungen

Die Grenze zum Kongo

Begegnung an der Grenze

Gespräch mit Patrick

Vor der Grenzkontrolle

Im Computerraum der Schule für behinderte Menschen

Im Nähraum der Schule

Empfang durch die Schülerinnen und Schüler

Mein Inklusionselefant bekommt Freunde

Und in der Schule Direktor bekommt eine Inklusionsuhr

Vulkan-Silhouette auf dem Rückweg

Gedenken und Aufbruch

Tag Zwei der Ruanda-Delegationsreise begann mit einem Gespräch mit dem neuen deutschen Botschafters in Ruanda, Dr. Peter Woeste. Auch das Thema Menschen mit Behinderungen ist Bestandteil der Arbeit der Botschaft. Sie arbeitet mit dem nationalen Behindertenrat (NCPD) und dem Dachverband der Selbsthilfeverbände von Menschen mit Behinderungen (NUDOR) zusammen.

Danach fuhren wir in die Gedenkstätte nach Nyamata. Bei dem Genozid im Jahr 1994 wurden hier tausende Schutzsuchende Tutsi in einer Kirche und auf dem Gelände umgebracht. Heute ist dieser Ort eine Gedenkstätte mit  Massengräbern für 15.000 Opfer des Genozids. Ein Ort des Gedenkens und der Mahnung an uns alle.

Einen neuen Aufbruch signalisiert die inklusive Schule in Kamonyi. In der Schule werden behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichtet. Durch eine von Dr. Geisen aus Landau und dem neuen Institute vor Special Needs and inclusive education initiierte Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrer wird der Unterricht an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler angepasst. In der Klasse die ich besucht habe, waren sechs Kinder mit Förderbedarf. Die Lehrerin geht im Unterricht auf die unterschiedlichen Beeinträchtigungen ein. Einige Schüler machen die Aufgabe von ihrem Platz aus. Andere konnten an die Tafel gehen und wurden bei der Lösung der Aufgaben unterstützt. Hier sind Methoden von zieldifferenten im Unterricht zu erkennen und die Abkehr vom üblichen Frontalunterricht. Ein echter Fortschritt gegenüber unserem ersten Besuch vor drei Jahren.

Bei den Besuchs der Schule habe ich auch einen Stoff-Elefanten erstanden. Der Inklusions-Elefant wird mich auf der Delegationskreise begleiten. Er steht für Inklusion: man braucht viel Kraft, viel Ausdauer und eine dicke Haut.

Das Institut for Special needs and inclusive education der Universität in Kigali konnten wir anschließend besuchen. Durch die Förderung in der Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda wurden Geräte  und Hilfsmittel wie Braille Zeilen, Vergrößerungsgeräte und Audiometrie-Geräte angeschafft. In dreimonatigen Kursen werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Zentren und Schulen ausgebildet. Heute konnten die Zertifikate für weitere 19 Teilnehmerinnen und Teilnehmer überreicht werden. Besonders gefreut hat mich, dass viele Bekannte in der Zusammenarbeit im Bereich Menschen mit Behinderungen mit dabei waren. Die Vernetzung der Zentren und der Akteure ist eine gute Basis, Inklusion in Ruanda voranzubringen. Das bestätigte auch der Vizekanzler der Universität. Sein Ziel ist, dass jede Schule in Ruanda Inklusiv wird und Kinder mit Beeinträchtigungen unterrichten kann.

Hier Fotos von dem Tag in Ruanda

Gespräch mit Botschafter Dr. Woeste

Besuch der Gedenkstätte

Die aufgebrochene Kirchentür

Begrüßung durch die Schülerinnen und Schüler in Kamonyi

Gerlinde Busch testet das Braille-Alphabet aus Kronkorken

Unterricht in der inklusive Klasse

Angepasster Unterricht an der Tafel

Musik und Tanz mit den Kindern

Übergabe unserer Inklusion Uhr an die Leiterin der inklusiven Schule

Hilfsmittel für blinde und sie behinderte Menschen an der Universität Kigali

Übergabe der Zertifikate am Institut for Special needs Inclusive education

Löwen in Landstuhl

Seit den 1970er Jahren gibt es Gesetze zur schulischen Integration von Kindern mit Behinderungen in den USA. Der gemeinsame Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen ist in den Vereinigten Staaten die Regel. Um zu erfahren, wie das inklusive Schulsystem in den USA funktioniert muss man nicht über den großen Teich reisen. Auch in Rheinland-Pfalz gibt es amerikanische Schulen. Diese Woche habe ich die Lions Landstuhl, die Landstuhl Elementary/Middle School (LEMS) besucht und eine inklusive Schule direkt in unserer Nachbarschaft kennen lernen können.

Nach Sicherheitskontrollen am Einfahrtstor fahren wir auf das Gelände des Armee-Hospitals in Landstuhl. Dort ist auch die Lions Schule untergebracht. 800 Kinder und Jugendliche von der Vorschule bis zur achten Klasse werden dort unterrichtet. Amy Peaceman, Deutschlehrerin an der Schule und Ihren Kollege Adam Wright hatten ein umfangreiches Programm für uns vorbereitet. Begleitet wurde ich von Jan Wenzel vom Inklusionsreferats aus unserem Bildungsministerium.

Knapp 20 % der Schülerinnen und Schüler an der Lions Schule erhalten aufgrund einer Beeinträchtigung eine spezielle Förderung. Das beginnt mit Frühförderung in der Vorschule und  setzt sich mit Unterstützung während der Schulzeit fort. Adam Wright ist Spezialist für Diagnostik und Förderunterricht. Er und seine Kollegen und Kolleginnen erstellen die individuellen Entwicklungspläne (individualized educational program – IEP) für die Kinder und Jugendlichen mit besonderen Bedarfen. Das ist im Individuals with Disabilities Education Act (IDEA) von 1990 festgelegt und gilt für die gesamten  Vereinigten Staaten. Grundsatz ist, dass soviel wie möglich gemeinsamer Unterricht stattfindet und notwendige Unterstützung dafür eingesetzt wird. Das können Integrations-Helferinnen und -helfer, technische Ausstattung und ergänzender Förderunterricht sein. Begleitet wird der Schulbesuch durch Ergo- und Physiotherapie, die an der Schule erbracht wird. Auch Sprachtherapie gehört dazu. Der  IEP wird bei Bedarf durch den Individualized Family Service Plan (IFSP) ergänzt, der die Unterstützung des familiären Umfeldes einbezieht. 

Die Förderung der Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen findet in den Vereinigten Staaten an allgemeinen Schulen statt. Förderschule sind die absolute Ausnahme und überwiegend Privatschulen.

Die individuelle Förderung ist also sehr gut organisiert. Es gibt noch ein über 200-seitiges Handbuch, in dem alle Lehrerinnen und Lehrer notwendiges Wissen über Arzt der Beeinträchtigungen und Möglichkeiten der Forderungen nachschlagen können. Doch jetzt geht es durch die Schule. Wir beginnen in der Vorschule, und sind mitten in der Partytime einer Gruppe von drei- bis vierjährigen Kindern. Mit Musik und Bewegung geht es durch den Raum. Die Leiterin der Gruppe gibt danach Aufgaben, die von den Kindern gelöst werden sollen. Auf unterschiedliche Anforderung je nach Art der Fähigkeiten der Kinder geachtet.

Weiter geht es in eine Grundschulklasse. Dort wird in Gruppen gearbeitet. Für einen nicht sprechenden Schüler ist eine Assistenz Kraft eingesetzt, die gerade am Computer die Aufgaben für den Jungen anpasst. Für die Kommunikation nutzt er einen Tablettcomputer, sowohl als Kommunikationsassistenz als auch für die Aufgaben. Ich muss ich jetzt ein bisschen umschauen bis ich den Jungen in einer der Gruppen entdecke. Er ist mit seinen Mitschülerinnen und Mitschülern konzentriert bei der Arbeit und wird von seiner Lehrerin unterstützt.

Weiter geht es durch die Schule. Mir fällt auf, dass zwischen den Fachräumen immer eigene Räume (Ressource-Räume) zu finden sind, in denen Förderunterricht in Kleingruppen oder Einzeln stattfindet. Auch Adam Wright hat einen solchen Arbeitsplatz, wo er mit Smartboard und Lehrmaterial Förderunterricht gibt.  Zu seinen Aufgaben gehört auch, die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu beobachten und die individuellen Entwicklungspläne anzupassen.

In einer Klasse findet an Laptops Naturwissenschafts-Unterricht statt. Für eine Schülerin ist eine eigene Assistenzkraft zur Unterstützung im Einsatz. Im Musikunterricht probt gerade die Band, auch hier ist selbstverständlich, dass Kinder mit Beeinträchtigungen mitmachen.

Dann besuchen wir Schüler einer sechsten Klasse, die in der Bibliothek am Smartboard Förderunterricht in Mathematik erhalten. Das Prinzip ist, dass soviel gemeinsamer Unterricht wie möglich gehalten wird, und ergänzen Förderunterricht in Kleingruppen oder Einzelunterricht gegeben wird. Das erleben wir auch in der nächsten Fachklassen in Mathematik, hier läuft gemeinsamer Unterricht. Nachher treffen wir eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus dieser Klasse, die den Unterricht noch einmal nachbereiten. 

In ihrem kleinen Büro treffen wir Mina Holley, sie ist Ergotherapeutin an der Schule. Allerdings ist sie hauptsächlich in der Schule unterwegs, um Therapie vor Ort aus mit den Kindern und Jugendlichen zu machen. Sie gehört zur Schule dazu genauso wie Physiotherapeuten und eine Krankenschwester für die medizinische Versorgung. Hier wird deutlich, dass Inklusion in der Schule Teamarbeit ist. Alle berichten dass Absprachen untereinander zwischen Therapeutinnen und Therapeuten, Lehrerinnen und Lehrern notwendig sind, um allen Kindern mit Beeinträchtigungendie richtige Unterstützung zu geben. Die Ganztagsschule und die Präsenz der Lehrkräfte während dieser Zeit ist dabei hilfreich. Dennoch müssen Verabredungen oft per Mail organisiert weden, Besprechungen finden oft als gemeinsames Mittagessen statt.

Mit einem gemeinsamen Mittagessen im Fachraum von Amy Peaceman und Gesprächen über ihre Arbeit an der Schule endet der Besuch. Der gemeinsame Unterricht ist die Regel. Individuelle Lösungen und Unterstützung werden gemeinsamen im Team erarbeitet und umgesetzt. Dabei spielen eine gute Diagnostik und individuelle Unterstützung eine wichtige Rolle. In den Gesprächen mit den Lehrerinnen und Lehrern wir die gemeinsame Verantwortung für Ihre Schule und auch viel Offenheit für Lösungen deutlich.

Fazit des Besuchs ist, dass wir von den US-amerikanischen Schulen viel lernen können, wie gemeinsamer  Unterricht umgesetzt werden kann. Auch wenn in manchen Schulen spezielle Gruppen für Kinder und Jugendliche mit hohem Unterstützungsbedarf eingerichtet sind, so sind sie doch immer in den regulären Schulen und es wird immer geschaut, dass gemeinsamer Unterricht so oft wie möglich stattfindet. Eventuell lassen mehr  offene und differenzierte Unterrichtsformen die Notwendigkeit von individuellen Förderunterricht noch reduzieren. Vorbildlich ist die direkte Einbeziehung von Therapie in der Schule und die sehr individualisierte Planung der Förderung und Unterstützung. Die amerikanische Offenheit fördert die interdisziplinärer Zusammenarbeit, Abgrenzungen zwischen spezialisierten Berufsgruppen können so überwunden werden.

Herzlichen Dank an Amy Peaceman und ihr Team der Schule, die uns diesen spannenden Einblick in die Umsetzung von Inklusion an amerikanischen Schulen ermöglicht haben. Und Danke auch an die Transatlantische Akademie, die den Anstoß für diesen Besuch gegeben haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass Vernetzungen und Erfahrungsaustausch der rheinland-pfälzischen Schulen und der US-amerikanischen Schulen hierzulande Ideen und Lösungen für Inklusion voranbringen kann.

Hier noch ein Foto von dem Besuch

  

Jan Wenzel, Amy Peaceman und Matthias Rösch im Deutsch-Fachraum 

Kinder malen Inklusion

In der aufgeregten Debatte um Inklusion in der Schule geht mir eine Perspektive oft verloren. Die Sicht der Kinder auf das Thema. Das hat der Malwettbewerb des VdK Rheinland-Pfalz aufgegriffen. Über 400 Bilder wurden aus den Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz eingeschickt. Als Mitglied der Jury war es für mich keine einfache Aufgabe, die Preisträgerinnen und Preisträger mit auszusuchen.

Grundschulkinder malen aus ihrer Erfahrung das gemeinsame Leben und gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung. In den Bildern kommt viel Respekt, Freude und Selbstverständlichkeit im Umgang mit anderen zum Ausdruck. Das sind gute Beispiele, an denen wir uns orientieren sollten.

Heute sind die Preise an die Schülerinnen und Schüler verteilt worden. Hier einige Bilder von der Preisverleihung.

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Gruppenbild mit Kindern, Bildungsstaatssekretär Beckmann und Jury

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Bild vom gemeinsamen Lernen im Klassenraum

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Sportunterricht mit unterschiedlichen Anforderungen

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Orientierungshilfe für blinde Kinder

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Gemeinschaftsarbeit: gemeinsam leben und gemeinsam lernen

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„Wir sind alle verschieden und gehören trotzdem zusammen“ Inklusionspuzzle als Gemeinschaftsaufgabe

Schulbesuch 2: Pestalozzi Grund- und Schwerpunktschule in Eisenberg

Kinder hüpfen im Unterricht durch den Klassenraum. Das wäre Grund für einen Eintrag in das Klassenbuch. Das ist anders in der Pestalozzi Schule in Eisenberg. Hier gehört Bewegung zum pädagogischen Konzept. Discemotorik heißt das Lern- und Bewegungsangebot, das von der Ergotherapeutin Aline Klusen an der Schule entwickelt wurde und mittlerweile bundesweit Nachahmer findet. Am Anfang eines Bewegungsparcours ziehen die Schülerinnen und Schüler einer Aufgabe aus einer Schachtel mit Erbsen. Dann machen Sie sich auf den Weg durch den Parcours mit Kissen und Noppen-Streifen und lösen dabei die Aufgabe, die sie an einem bestimmten Platz ablegen. Lernen mit allen Sinnen, in Bewegung und mit räumlicher Zuordnung. Das kommt allen Kindern zugute. Besonders denen, die noch Schwierigkeiten mit der Motorik und in der Bewegung haben und sich so viele Lerninhalte besser merken können.

Zusammen mit den kommunalen Behindertenbeauftragten Susanne Röß aus dem Donnersberg-Kreis und Arno Weber aus dem Rhein-Pfalz-Kreis konnte ich mich vergangene Woche von dem inklusiven Konzept der Grundschule Eisenberg überzeugen. Mit dazu gehört, dass sich die Schule für alle Kinder im Ort verantwortlich fühlt und – wie in allen guten inklusiven Schulung – Teamarbeit als Grundlage für die Arbeit selbstverständlich ist. Hier arbeiten Grund- und Förderschulpädagogen, Erzieherinnen und Erzieher, Heil- und Sozialpädagogen und Therapeutinnen und Therapeuten als Team zusammen.

Bei unserem Besuch im Unterricht haben die Schülerinnen und Schüler Aufgaben bekommen und in Gruppen oder einzelnen nach Ihren Möglichkeiten lösen. Wer will kann einen Kopfhörer aufziehen, um in Ruhe arbeiten zu können. Das ist nicht unbedingt nötig, weil in der Klasse eine ruhige Arbeitsatmosphäre herrscht. Die Lehrerin managed die Klasse und hält keinen Frontal-Unterricht. Ab und zu kommen Schülerinnen und Schüler zur Lehrerin und haben Frage zur Aufgabe. Dann schickt die Lehrerin sie zu anderen Schülern, die schon mit der Aufgabe fertig sind, um die Frage geklärt zu bekommen. In einer Ecke des Klassenzimmers ist eine der Bewegungsparcours aufgebaut, wo die Aufgaben im Rundgang gelöst werden.

Wie sehr der Schulleiter Marcus Richter und seine Kolleginnen und Kollegen hinter dem Ansatz einer Schule für alle stehen, erfahren wir in der anschließenden Besprechung im Team-Zimmer. Ein Lehrerzimmer gibt es nicht mehr. Aber es gibt auch noch etwas zu tun. Auf der Wunschliste ganz oben steht ein Aufzug, der alle Stockwerke der Schule erschließt. Hier hatte der Denkmalschutz Barrieren aufgebaut. Wichtig wären auch Therapieangebote für die Schülerinnen und Schüler in der Schule. Allerdings bezahlen die Krankenkassen bisher nur Therapie in den Förderschulen, aber nicht in den Schwerpunkt-Schulen. Das muss sich ändern.

Über die Schule gebe es noch viel mehr zu berichten. Zum Beispiel die eigene Küche mit Verarbeitung von regionalen Produkten, einschließlich von Apfelsaft, der aus von den Schülerinnen und Schülern selbst auf gesammelten Äpfel aus der Region stammt. Nähere Infos gibt es auch auf der Webseite der Pestalozzi Schule.

Hier einige Bilder aus der Schule in Eisenberg.

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Discemotorik-Parcours – lernen mit allen Sinnen

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Besprechung im Team-Zimmer

Schulbesuch 1: Berufsbildende Schule EHS in Trier

Mein erster Schulbesuch zu Inklusion in der Schule ging nach Trier. Und zwar direkt an das Ende der Schulzeit, der Übergang von der Schule zum Beruf. Schon seit mehreren Jahren nimmt die berufsbildende Schule in Trier Jugendliche mit Behinderungen in ihre Berufsvorbereitungsjahr-Klassen auf.

In einer Klasse sind vier Jugendliche mit Behinderungen. Heute war die Arbeit am Projekt Hände dran. Hände werden aus Stoff ausgeschnitten, künstlerisch verarbeitet, künstlerisch gestaltet und zu einer großen Stoffcollage für das Schulfest zusammen genäht. Das ganze passiert an einem großen Tisch in der Gruppe. In der Gruppe ist viel kreatives Potenzial vorhanden. Einer der Schüler mit Lernschwierigkeiten mal selbst Bilder, die bereits bei den Kunstausstellungen zum Aktionstag am 5. Mai in Trier ausgestellt wurden. Eine andere Schülerin ist talentiert du Zeichnerin im Manga-Stil.

Mit viel Ehngagement bei den Lehrerinnen und Lehrer und guten Zusammenhalt bei den Jugendlichen wird hier seit Jahren Alternativen zu Förderschule und Werkstatt umgesetzt. Die Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten kommen aus den Schwerpunktschulen und führen ihre Werkstufen-Schulzeit im Berufsvorbereitungsjahr der Berufsbildenden Schule durch.

Begleitet wird das Berufsvorbereitungsjahr durch Praktika in regulären Betrieben. Zehn von 15 Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten konnte eine Qualifizierung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Mittlerweile gibt es auch Anfragen von Abgängerinnen und Abgängern von Förderschulen, über das Berufsvorbereitungsjahr eine Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bekommen. Es gibt Bedarf, eine zweite Klasse einzurichten.

Mit bei den Besuch dabei waren die kommunalen Behindertenbeauftragten Nancy Poser und Peter Musti, sowie Regina Seibel-Schnell vom Paritätischen. Die Erfahrungen und Ergebnisse der inklusiven Arbeiten an der berufsbildenden Schule in Trier haben uns sehr beeindruckt. Das Modell in Trier eignet sich sehr, um an andere Orte übertragen zu werden. Damit wäre eine angemessene und Inklusiv ausgerichtete Berufsvorbereitung für Jugendliche mit Lernschwierigkeiten aus den Schwerpunktschulen gewährleistet.

Herzlichen Dank an Schulleiterin Frau Groß und ihr Team für den spannenden Einblick in ihre Arbeit.

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Foto vom Schulbesuch bei der Berufsbildenden Schule in Trier mit den Schülerinnen und Schülern

Jedes Kind darf in jede Schule gehen

Und kein Kind mit Beeinträchtigung darf von der Schule in seiner Gemeinde abgewiesen werden. Das ist der Grundsatz, mit dem seit über 35 Jahren in Italien und in Südtirol in Inklusion an den Schulen umgesetzt wird. 1977 wurde auf Staatsebene in einem Gesetz geregelt, dass die Sonderschulen abgeschafft werden. Die Sonderschullehrerin und Sonderschullehrer waren seitdem in den regulären Schulen im Einsatz. Am dritten Tag der Inklusionstour Südtirol konnten wir uns in der Grund- und in der Mittelschule von Neumarkt einen Eindruck machen, wie die Einbeziehung von Kinder mit Beeinträchtigungen funktioniert.

Um 9:30 Uhr beginnt der Geographieunterricht in der Klasse 1C der Mittelschule Neumarkt. Nach der fünfjährigen Grundschule ist das die erste Klasse der gemeinsamen Mittelschule in Italien und Südtirol. Heute geht es um Italien, welches sind die Anrainerstaaten und wie heißen die Meere um das Land. Der Fachlehrer erläutert die Aufgaben. Die Schülerinnen und Schüler nehmen sich ihre Aufgabenhefte und lösen in Zweiergruppen die Aufgaben. Die Integrationslehrerin, die acht Stunden in der Woche in der Klasse ist, hilft das währenddessen einzelnen Schülerinnen und Schüler. In der Mitte der Stunde kommt ein Schüler von der Logopädie aus Bozen. Eine Mitschülerin setzt sich zu ihm und erklärt ihm die aktuelle Aufgabe. Eine Integrationsassistentin unterstützt bei der Lösung seiner für ihn angepassten Aufgaben. Es ist ein sehr ruhiges und konzentriertes Arbeiten im Klassenraum. Ab und zu gehen Schülerinnen und Schüler an die große Karte und zeigen Meeresbuchten und Alpenpässe. Zum Abschluss der Stunde gibt es die Diskussionen um Hausaufgaben über die Ferien, die mir aus meiner eigenen Schulzeit sehr bekannt vorkommen.

Ich war sehr beeindruckt, wie Unterricht abläuft, bei dem alle Schülerinnen und Schülern mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten einbezogen sind.

Im Anschluss an die Unterrichtsbesuche trafen sich alle aus der rheinland-pfälzischen Delegation, um ihre Eindrücke mit den beiden Schulleiterinnen Frau Dr. Dorfmann und Frau Dr. Niederkofler zu diskutieren.

Inklusion in den Schulen von Südtirol und Italien ist mittlerweile gesellschaftlich selbstverständlich und akzeptiert. Diskussionen, ob die „nichtbehinderten“ Kinder zu kurz kommen gab es bis vor 20 Jahren. Die Praxis hat gezeigt, dass alle von dem gemeinsamen Unterricht profitieren.

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Gesprächsrunde in der Schule in Neumarkt

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Der Eingang zur Mittelschule von Neumarkt

Im Landesschulamt in Bozen erkläre uns jedoch darauf Dr. Veronika Pfeiffer, wie die gesellschaftliche Öffnung in den siebziger Jahren in Italien zu der gesetzlichen Abschaffung der Sonderschulen führte. Mittlerweile ist das inklusive Schulsystem in Italien etabliert und mit jahrzehntelanger Erfahrung umgesetzt. Die Ausstattung der Ressourcen in Personal von Integrationslehrerinnen und -lehrern entspricht in etwa den rheinland-pfälzischen Schwerpunktschulen im Grundschulbereich. Auch wenn in manchen Diskussionen Sonderschulen gefordert werden, entscheiden sich nach Umfragen die übergroße Mehrheit der Eltern von Kinder mit Behinderungen für die inklusive Schule.

Mein Fazit dieses Schulbesuchstags in Südtirol ist, dass wir im Vergleich etwa 20 Jahre auf dem Weg zur flächendeckenden Inklusion hinterher sind. Allerdings haben wir in Rheinland-Pfalz schon beispielhafte inklusive Schule aufgebaut und ein gutes Netz an Schwerpunktschulen eingerichtet. Auch unser starker Ausbau von Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz ist ein wichtiger Unterschied zu Südtirol. Den Weg zu inklusiven Schulen müssen wir konsequent weiter führen, sie nutzen uns allen.

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Dr. Veronika Pfeifer von der Fachstelle für Inklusion und Gesundheitsförderung